Auch wenn wir es bisher noch nicht wirklich in den Medien sehen können, ist nicht nur das asexuelle Spektrum unheimlich divers, sondern auch die Einstellungen asexueller Menschen zu Beziehungen. Manche Asexuelle sind ebenfalls aromantisch, was bedeutet, dass sie keinerlei, oder nur bedingt, romantische Anziehung empfinden. Diese Personen werden auch ‚aroaces‘ genannt und haben oftmals kein Interesse an einer romantischen Beziehung. Es gibt allerdings auch ‚aroaces‘ (und aromantische Menschen generell), die trotz des Mangels an romantischer Anziehung eine romantische Beziehung wollen. Dasselbe Prinzip gilt für asexuelle Menschen und sexuelle Beziehungen: Manche genießen Sex und wollen dementsprechend auch, dass er Teil ihrer romantischen Beziehungen ist, andere würden Sex für ihre*n Partner*in haben, und wieder andere könnten sich das nicht vorstellen und finden den Gedanken an Sex eventuell auch abstoßend. Dementsprechend können sich einige Asexuelle nur Beziehungen mit anderen Asexuellen vorstellen. Andere sind auch an Beziehungen mit Allosexuellen interessiert. Damit diese Beziehungen funktionieren können, sind Kommunikation und Ehrlichkeit über die eigenen Grenzen, Wünsche und Bedürfnisse besonders wichtig. Hier mal ein paar wichtige Punkte dazu:
- Kompatibilität was sexuelle Bedürfnisse, oder die Abwesenheit davon, angeht. Damit ist gemeint, dass jemand, der ’sex-repulsed‘ ist und/ oder generell keinen Sex haben will eher weniger kompatibel ist mit jemandem, der sehr oft und gerne Sex hat und für den Sex innerhalb einer romantischen Beziehung notwendig ist, um erfüllt zu sein.
- Für Asexuelle, die für eine*n Partner*in Sex haben würden, ohne es selbst wirklich zu genießen, ist es hilfreich von Anfang an offen zu sein, was die eigenen Grenzen angeht: Wie oft wäre Sex für mich in Ordnung? Welche sexuellen Aktivitäten sind okay? Gibt es Phasen, in denen ich Sex abstoßend finde und Phasen, in denen ich eher ’sex-indifferent‘ bin? Auch die allosexuelle Person in diesem Szenario sollte sich über diese Dinge im Klaren sein. Wäre es zum Beispiel akzeptabel, monatelang keinen Sex zu haben oder nie bestimmte sexuelle Aktivitäten durchzuführen, die von vielen als Standard gesehen werden? Außerdem stellt sich natürlich noch die Frage, ob mensch sich beim Sex wohl fühlen könnte, wenn der*die Partner*in nicht wirklich etwas davon hat.
- Wenn jemand schon in einer Beziehung mit einer allosexuellen Person ist und realisiert, dass er asexuell ist, kann das Ganze ziemlich kompliziert werden. Kann meine Beziehungsperson erfüllt sein, ohne dass ich dabei meine Grenzen überschreite? Und der Klassiker: Wie würde die Person auf mein Outing reagieren? Auch hier ist es wichtig, sich klarzumachen, was beim Thema Sex okay ist und was nicht und das klar zu kommunizieren. Andererseits kann es durchaus passieren, dass der*die Asexuelle an Aktivitäten teilnimmt, bei denen er*sie sich eigentlich unwohl fühlt, aus Angst, dass die Beziehung in die Brüche geht oder schlichtweg, weil Sex nun mal in romantischen Beziehungen erwartet wird. Der*die allosexuelle Partner*in wiederum kann sich durch Unklarheit verunsichert fühlen und zu dem Trugschluss kommen, dass das Gegenüber ihn*sie nicht mehr attraktiv findet oder weniger Interesse an der Beziehung hat. Deshalb sollte ehrlich über die eigenen Gefühle geredet werden und was diese für die Beziehung bedeuten.
- Und was ist mit Asexuellen, die nie Sex haben wollen? Können die überhaupt eine erfolgreiche Beziehung mit einem allosexuellen Menschen führen? Es gibt durchaus solche Beziehungen, die funktionieren, wenn sie auch selten vorkommen. Schließlich gibt es Allosexuelle, die einen sehr niedrigen ’sex drive‘ haben oder deutlich lieber kuscheln als im Bett aktiv zu werden. Was ebenfalls wichtig ist für Allosexuelle: Wenn jemand sagt, dass er nie Sex haben will, dann sollte die Person beim Wort genommen werden. Das heißt nicht, dass sie nur etwas Zeit braucht, um das Date besser kennen zu lernen.
- Für einige sind auch Beziehungsmodelle mit mehr als zwei Partner*innen, wie Polyamorie und offene Beziehungen, interessant. So kann es für manche Asexuelle eine Erleichterung sein, nicht (alleine) für die sexuellen Bedürfnisse der Beziehungsperson zuständig zu sein.
- Es gibt Asexuelle, die keinerlei Interesse an einer romantischen und/ oder sexuellen Beziehung haben und das ist nichts verwerfliches, sondern ein Zeichen menschlicher Diversität.
Egal ob monogam, polyamorös oder ohne Beziehung, egal ob ein Interesse an Sex besteht oder nicht, alle asexuellen Menschen haben eine vollkommen valide Identität, die niemand versuchen sollte zu ändern.