Sich als queerer Mensch bei Angehörigen zu outen (dir in diesem Fall) ist oft nicht leicht. Doch genauso herausfordernd kann es sein auf der anderen Seite zu stehen und auf ein Coming-out angemessen zu reagieren.
Während die Person, die sich bei dir outet wahrscheinlich Jahre lang auf diesen Moment hingearbeitet hat – hattest du vermutlich nicht so viel Zeit dir darüber Gedanken zu machen. Oft kommt es sogar völlig unerwartet und da kann man sich schnell mal überrumpelt und überfordert fühlen.
Wenn du dir diesen Ratgeber durchliest, dann unterstellen wir dir einfach mal, dass du möglichst unterstützend reagieren möchtest. Tatsächlich ist es gar nicht so leicht zu wissen was man wie genau sagen sollte – doch deswegen sind wir hier für dich!
Hier verraten wir dir, welche Reaktionen auf ein Coming-out eher passend sind und welche eher nicht (und welche einfach nur total unangemessen sind, denn die gibt es auch).
Sag nicht, dass du es immer geahnt hast
Diese Reaktion wird oft sehr unterschiedlich aufgenommen. Einerseits gibt es queere Menschen, die diese Reaktion befreiend und ermutigend finden, anderen gibt es jedoch das Gefühl in der Vergangenheit total versagt zu haben. Viele LGBTQ+ Menschen versuchen eine lange Zeit sich selbst zu verstecken, was mit extrem viel Anstrengung und Sorgen verbunden ist. “Ich habe es immer gewusst!” ist dann nicht so das was man gerade hören möchte. Daher solltest du diesen Punkt lieber erstmal weglassen, außer die Person fragt dich direkt ob du bereits Vermutungen oder eine Ahnung hattest.
Bedanke dich für das Vetrauen
“Ich bin sehr froh, dass du es mir erzählt hast” – wäre zum Beispiel eine passende Reaktion. Dadurch kannst du der Person sagen, wie du dich damit fühlst, ohne die Aufmerksamkeit komplett auf dich zu lenken und zudem noch ihren Mut es dir zu sagen bestätigen. “Es wird alles gut werden. Du musst dir keine Sorgen machen. Ich bin immer hier für dich” – klingt etwas klischeehaft, kann das Leben der anderen Person aber mit nur 3 Sätzen komplett verändern.
Frag nicht, ob er oder sie jetzt auf dich steht
Nein, mach das einfach nicht. Damit lenkst du erstens die ganze Aufmerksamkeit wieder auf dich und zweitens stärkst du Stereotype, wie z.B. dass alle Schwulen auf alle anderen Männer stehen
Sag’ nicht, dass es keine Rolle spielt
Denn für ihn oder sie tut es das! Wir verstehen dich, oft ist diese Aussage positiv gemeint, dennoch gibt es eine Chance, dass die Person sich dadurch abgelehnt fühlt. Viele LGBTQ+ Menschen wünschen sich eine Reaktion – schließlich ist es für sie wirklich ein großer Schritt. Du könntest zum Beispiel antworten mit “Ich will einfach nur, dass du glücklich bist. Bist du das?”. Das bringt genauso gut rüber, dass sich für dich durch das Outing nichts verändert, hat aber noch einen wertschätzenden Unterton.
Frag ob er oder sie mehr darüber reden wollen
Ein Coming-out ist oft mit sehr viel Mühe verbunden. Es kann daher sein, dass die Person, die sich bei dir outet, nachdem die Bombe geplatzt ist erstmal über etwas anderes reden, oder sich auch komplett zurückziehen will. Eine gute Reaktion von dir wäre zum Beispiel “Möchtest du mehr darüber reden? Wir müssen natürlich nicht, aber ich bin hier und höre dir zu, falls du möchtest”.
Frag ob er/sie es anderen erzählt hat und wie es lief
Wahrscheinlich bist du nicht die erste Person und er oder sie hat sich bereits bei anderen Menschen geoutet. Frage nach, wie es lief und die anderen reagiert haben. Dadurch kannst du auch gut einschätzen, wie du am besten reagieren solltest. Du könntest versuchen die positiven Reaktionen aufzugreifen, die negativen aber auf jeden Fall nicht selbst (ausversehen) zu machen.
Biete eine Unterkunft an
Sollten sie sich bereits bei anderen geoutet haben, das aber nicht gut gelaufen sein, könnte sich das auch auf ihre Wohnsituation auswirken (z.B. weil er/sie erstmal Abstand zu den Eltern braucht). Falls du die Möglichkeit hast, könntest du ihnen anbieten, dass sie gerne erstmal bei dir bleiben können. Alternativ kannst du auch deine Hilfe anbieten eine Unterkunft zu finden.
Sag nicht, dass es nur eine Phase ist.
Ernsthaft, einfach nicht machen.
Sei nicht gekränkt, dass du es erst jetzt erfährst
Möglicherweise haben es bereits viele Menschen vor dir erfahren. Sei deshalb nicht gekränkt oder beleidigt – nur weil die LGBTQ+ Person eine Weile gebraucht hast, heißt das nicht, dass du ihr nicht wichtig bist. Vielleicht bist du auch die erste Person, die es erfährt und du findest es doof, dass du es erst jetzt mitbekommst. Behalte immer im Hinterkopf, dass ein Coming-out für viele Menschen ein sehr schwieriger Schritt ist – das hat nichts mit dir zu tun!
Sei so ehrlich wie möglich, ohne negativ zu werden
Du darfst deine Bedenken und Sorgen offen mitteilen. Solltest du zum Beispiel Sorge haben, dass Schwulsein das Leben nicht gerade einfacher macht, dann teile dieses Bedenken ehrlich mit deinem Gegenüber. Vermeide jedoch jegliche Kommentare, die die Aufmerksamkeit wieder auf dich lenken, z.B. warum DEIN Leben jetzt durch das Outing so viel schwieriger wird, oder Dinge wie diese.
Du darfst Zeit zum Verarbeiten brauchen!
Es ist völlig normal und okay, wenn du einige Tage brauchst um über das Coming-out nachzudenken. Was bedeutet es für sein / ihr Leben? Wie wird es unsere Freundschaft beeinflussen? Das sind ganz normale Gedanken! Teile der Person ehrlich mit, dass du ein bisschen Zeit brauchst und dich meldest, wenn du bereit bist zum Reden.
Diese Tipps können dir dabei helfen einer queeren Person angemessen auf ihr Coming-out zu reagieren. Letztendlich ist natürlich jede:r von uns einzigartig und du musst selbst entscheiden welche dieser Tipps du wie umsetzen möchtest. Eine Sache die wir noch sagen möchten ist, dass du bitte unbedingt negative Kommentare erstmal zurückstellen solltest. Wenn du wütend bist oder die Entscheidung falsch findest, dann berede das mit der Person erst einige Tage später, aber lasse ihr ihren wichtigen Coming-out Moment. Sage ihr nicht wie unglücklich du damit bist, oder projiziere deine Sorgen auf sie. Solltest du wirklich massive Einwände haben, dann musst du dich selbst fragen, was dir wichtiger ist: Deine Vorurteile und (religiösen) Ansichten oder diese Person die gerade ihr Vertrauen in deine Hände gelegt hat?